Von Nävekvarn bin ich relativ spät aufgebrochen. Ich war am Morgen noch etwas einkaufen für unterwegs. Windy hatte für den Tag relativ guten Wind aus Süd-Südost vorhergesagt und lt. Planung von Orca (meiner zweiten Navi-App) sollte ich in etwa 5 – 6 Stunden in Nynäshamn sein. Irgendwie kam ich sowie gerade selbst mit meiner eigenen Planung durcheinander denn im Nachhinein dachte ich noch Norrköping als Zwischenstopp auf dem Schirm gehabt zu haben. Aber egal…
Etappenziel Nynäshamn
Jedenfalls aus dem Hafen raus und Richtung Nordost. Erste Ernüchterung – der Wind kam aus Nordost. Also blieb mir nichts anderes übrig, als erst einmal die Maschine zu bemühen und dann einen Plan zu machen.
Kreuzen, hier zwischen den zahlreichen Inseln und Untiefen erschien mir nicht wirklich als Option. Vielleicht Höhe Oxelsund. Da sollte sich das mit den Inseln und Untiefen etwas lichten. Aber nach gut einer Stunde drehte der Wind langsam auf Südost und ich konnte einen schönen Am-Wind Kurs segeln. Auch nicht hart am Wind wodurch ich mit gut 6 Knoten voran kam. Wind kam mit etwa 15 Knoten. Voraussichtliche Ankunftszeit: 17:30 Uhr. Das war nicht schlecht (in dem Moment).

Doch je länger der Tag um so mehr lies der Wind nach und drehte weiter nach Süd wodurch aus dem Am-Wind Kurs bald ein Raumwind-Kurs und zuletzt vor dem Wind wurde. Und das bei blöder Welle. Schmetterling segeln funktionierte wegen der Welle nicht wirklich. Die von Orca berechnete Ankunftszeit verschob sich immer weiter nach hinten. Ich hatte keine Lust nach 21 Uhr anzukommen auch wenn es inzwischen hier sehr lange hell ist. Deshalb wurde etwa 10 sm vor dem Ziel der Motor angeworfen. Nach etwa einer 3/4 Stunde kam der Wind (zwar nicht besonders stark) etwas raumschots, auch weil mein neuer Kurs jetzt Nordost war, weshalb ich die Fock als Unterstützung dazu nahm – Sprit sparen. Ich weiß, Segel und Motor ist nicht Gentlemen-like – aber wir sind hier nicht auf dem Bodensee… Hier ist ankommen das Ziel.

Gegen 20 Uhr kam ich an und legte neben einer schwedischen Familie an. Er sprang gleich von seinem Boot, um mir beim Anlegen zu helfen.
Jetzt hatte ich zu meiner eigenen Überraschung einen zusätzlichen Hafentag und konnte planen, mich in zwei Tagen mit meiner Tochter in Stockholm zu treffen. In Nynäshamn ist der Bahnhof in unmittelbarer Nähe zum Hafen und hier ist eine Endstation der SL Stockholm (Storstockholms Lokatrafik). Und hier fährt der sogenannte Pendeltåg (wohl ein Zug für Pendler). D.h. sehr häufig (jede Stunde oder so).
Den kommenden Tag (Sonntag) hatte ich dann einen Tag Zeit mich von den langen Schlägen der letzten Tage etwas zu erholen, einzukaufen, das Boot mal zu reinigen und in Ruhe die Planung für die weiteren Tage zu machen.

Daneben habe ich auch etwas Zeit, in diesem Blog-Beitrag auch einmal etwas außerhalb von meinen Tagestörns, über gesammelte Erfahrungen und „Lessons learned“ zu schreiben…
Alle hilfsbereit
Eine Erfahrung, die ich nicht nur in den letzten Tagen sondern auf dem gesamten Törn immer wieder sammelte: Es gibt hier unwahrscheinlich viele hilfsbereite Menschen. Das begann in der Marina Kröslin mit dem Problem mit meinem Toplicht wo die Mitarbeiter in der Werft suchten, ob sie vielleicht einen Ersatz finden. Ich weiß genau, wie das am Bodensee wäre: „Dein Problem, interessiert uns nicht“.
Beim Anlegen in Sassnitz bei 15 – 20 Knoten Wind mit dem Liegeplatznachbar und dem Einheimischen. Zu zweit haben sie uns geholfen das Boot zu fixieren. Hier in Nynäshamn sprang der Nachbar sofort von seinem Boot (auf dem er auch zwei kleine Kinder hatte), um mir beim Anlegen zu helfen.
Das ältere Ehepaar, welches ich in Kalmar kennengelernt hatte, das mir zahlreiche Tipps gab für Häfen, Ankerbuchten und Bojen des SXK (die Flagge habe ich und das Erlebnis wird auch noch kommen).
Heute der Nachbar aus Schweden am Liegeplatz, der mir zahlreiche Tipps gab für gute Anlegestellen auf dem Weg nach Norden, die ich nicht auf dem Schirm hatte und mir auch noch einen Tipp für das Winterlager geben konnte. Inzwischen habe ich drei gute Tipps für das Winterlager gesammelt und habe dann die Auswahl.
Was man dazu machen muss: Man muss mit den Menschen reden. Von seinen Plänen erzählen. In Fyrudden traf ich einen anderen deutschen Segler, der das offensichtlich nicht getan hat. Der willkürlich irgendeine Marina angeschrieben und nach einem Winterlagerplatz gefragt hat. für 4 bis 5 tausend Euro bekam er eine Info. Ich habe Infos für ein Winterlager deutlich unter 1000 Euro. Wie gesagt – man muss mit den Menschen reden.
Achtung Stein!
Ich hatte es oben schon geschrieben. Nach dem Ablegen in Nävekvarn mit dem Ziel Nynäshamn kam der Wind aus der falschen Richtung und die ersten 10 – 20 sm sollte ich zwischen zahlreichen Inseln und Untiefen unterwegs sein. Gerade die Untiefen muss man hier echt auf dem Schirm haben. Die Ostsee ist eine Pfütze – das soll nicht abwertend sein. Was ich sagen möchte: die Ostsee ist nicht tief – sie ist extrem flach. Das maximale, was ich bisher am Lot hatte, waren 60 bis 70 Meter. Hier, in den Schären sind es zwischen 10 und 20 Meter Wassertiefe.
Die Ostsee ist flach – wirklich flach
In Idö meinte der deutsche Segler, der mir auch beim Anlegen geholfen hatte, mein Manöver um die grüne Tonne wäre mutig gewesen (um nicht leichtsinnig zu sagen) – gleich dahinter hat es Steine.
Heute, in Nynäshamn, sah ich ein deutsches Segelboot, das auf einem Stein aufgesessen war. Die Hafeneinfahrt hier ist etwas tricky. Aber wer die Karte studiert und sich an der empfohlenen Einfahrt hält, wird keine Probleme haben. Östlich der niedrigen Hafenmauer gibt es keine Mauer und man könnte meinen, hier einfach abkürzen zu können, um in den Hafen bzw. heraus zu kommen. Aber grüne Tonnen weisen darauf hin, dass es hier ein Fahrwasser gibt. Das deutsche Segelboot hatte das wohl nicht studiert und meinte den kurzen Weg nehmen zu können. Prompt saßen sie auf einem Stein. Ich hatte mich beim Einfahren in diesen Hafen bewusst nahe den Stegen gehalten, weil ich das auf der Karte gesehen hatte.
Was ich als „Lessons learned“ weitergeben kann: Wenn es ein Fahrwasser gibt, sollte man sich die Situation außerhalb des Fahrwassers genau anschauen, bevor man dieses verlässt. Das kann abhängig vom Tiefgang unproblematisch sein, kann aber auch gefährlich sein.
In Schweden wird nicht geraucht…
Zugegeben, ich bin Raucher. Aber wenn ich in ein anderes Land komme, achte ich erst einmal darauf, wie die Gepflogenheiten diesbezüglich in dem Land sind. Was mir sofort im ersten schwedischen Hafen auffiel: In Schweden wird nicht geraucht. Ich habe jetzt in den etwa 14 Tagen in Schweden nur einen einzigen Menschen gesehen, der auf der Straße geraucht hat. Ich habe dann im Internet danach geschaut und erfahren, dass Schweden schon vor 2025 das Ziel hatte, bis 2025 das erste rauchfreie Land Europas zu sein. Und sie haben das Ziel vor 2025 erreicht (rauchfrei bedeutet, dass weniger als 5% der Bevölkerung regelmäßig raucht). Was man (aber auch selten) sieht, sind E-Zigaretten. Ich habe auch praktisch keine Kippen auf dem Boden gesehen. In Gaststätten (auch außen!) ist das Rauchen verboten. Oft finden sich Schilder das hier oder im Umkreis von x Meter das Rauchen verboten ist.
Alkohol gibt es nicht so einfach…
Wer sein Anlegerbier aus der Bilge holen und trinken möchte, muss sich gut mit Vorrat eindecken. Denn Alkohol gibt es in Schweden nicht so einfach zu kaufen. Für den Verkauf von Alkohol gibt es spezielle Geschäfte – „Systembolag“ ist der Name. Nur dort darf Alkohol verkauft werden. Und auch nur an Personen älter als 20 Jahre. An der Kasse wird bei jungen Menschen auch der Ausweis verlangt (bei mir natürlich nicht). Viele Geschäfte und Lebensmittelmärkte haben Sonntags geöffnet – aber nicht die Systembolag. Manchmal wird einem in einem kleinen Ort ein Systembolag auf Google (Maps) angezeigt. Dabei handelt es sich aber um kleine Einzelhandelsgeschäfte die keine alkoholischen Getränke auf Vorrat haben. Vielmehr kann man online bestellen, um die Getränke dann dort abzuholen. Das ist eher für die Einheimischen gedacht. Also „Systembolag“ auf Google (Maps) bedeutet nicht zwingend, dass ihr dort Bier kaufen könnt.
Was die Preise betrifft: Es ist etwas teurer als in Deutschland. Aber nicht übertrieben. Etwa 20 – 30% teurer. Eine Dose Bier bekommt man für etwa 1,50 Euro. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass in Norwegen Alkohol wesentlich teurer ist (auch Bier).
Hamnguiden – die schwedischen Hafenführer
Die sogenannten „Hamnguiden“ sind „die“ Hafenführer für Schweden. Hier ist nicht nur jeder Hafen im Detail beschrieben sondern auch zahlreiche Ankerplätze, Anlegemöglichkeiten an Schären und an SXK-Bojen. Deshalb hatte ich mir im Vorfeld alle Hamnguiden der schwedischen Ostküste bestellt. Das sind Ringbücher etwa im DIN A4 Format und ein Hamnguiden kostet etwa knapp 80 Euro (in Summe hatte ich etwas als 1.000 Euro für Hafen-/Revierführer und Seekarten ausgegeben).
Der deutsche Segler in Idö machte mich dann darauf aufmerksam, dass es von den Hamnguiden eine App gibt und in jedem Hamnguiden findet sich am Ende ein Rabattcode zum frei rubbeln. Installiert man sich die App und nützt diesen Rabattcode, hat man alle(!) Häfen, die in den Hamnguiden gelistet sind, freigeschaltet. D.h. wenn man ein Tablett oder iPad hat, muss man eigentlich nur einen(!) Hamnguiden kaufen und hat damit alle anderen Häfen in der App. Und noch ein Plus-Punkt der App: Es gibt eine deutsche Übersetzung die relativ gut ist.
Liegeplatzgebühr
Ich hatte es unterwegs schon von dem einen oder anderen Segler gehört: In Schweden haben in den letzten Jahren die Preise erheblich angezogen. Vor fünf oder zehn Jahren war das noch wesentlich günstiger. Im Schnitt bezahlte ich knapp 30 Euro für den Liegeplatz. In manchen Häfen kann man entscheiden, ob man mit oder ohne Landstrom möchte. Macht etwa 5 Euro aus. Teilweise finde ich die 30 Euro o.k., wenn man sieht was enthalten ist. Z.B. in Kalmar oder Nynäshamn. Gute Sanitäranlagen, Waschmaschinen, Trockner, Sauna, Strom. Aber ich hatte auch einige Häfen, die das gleiche verlangten schlechte Sanitäranlagen, keine Waschmaschinen, keine Sauna etc. hatten. Spitzenreiter bisher ist Dalarö (bei Stockholm) mit 440 SEK – das sind etwa 40 Euro. Es wird Zeit, dass es etwas wärmer wird und ich ankern oder an SXK Bojen festmachen kann.
Zurück zu meinem Törn….
Nach diesem kleinen Ausflug zurück zu meinem Törn… Wie oben geschrieben, war ich jetzt einen Tag früher in Nynäshamn als ursprünglich gedacht. Den ersten Hafentag hatte ich wie geschrieben für verschiedenes genützt. Für den zweiten Hafentag hatte ich mich mit meiner Tochter und ihrem Freund für eine Tour durch Stockholm verabredet. Und da ist Nynäshamn für alle, die die nicht nach Stockholm hinein fahren möchten (wie ich), ideal. Denn unmittelbar hinter dem Hafen liegt der Bahnhof. Und hier fährt die Linie der SL (Stockholms Lokaltrafik). Für Touris gibt es ein 24 Stunden oder Mehrtagesticket mit dem man eigentlich alle öffentlichen Verkehrsmittel in Stockholm (U-Bahn, Bus, Fähren) nützen kann. Finde ich sogar noch besser als die Oyster-Card in London weil es einfach ein Fixpreis ist.
Ausflug nach Stockholm
Wer hier segelnd her kommt, sollte auf jeden Fall den Ausflug nach Stockholm machen. Es lohnt sich.
Zum Glück war meine Tochter besser vorbereitet als ich. Sie hatte einige schöne Spots herausgesucht. Den einzigen Beitrag, den ich leisten konnte, war das Vasa-Museum.



Weiter geht’s Richtung Norden
Die Planung für den Weiterweg ist gerade etwas schwierig. Es ist Dienstag. Am Donnerstag soll ein Segel-Bekannter aus der Heimat dazu stoßen der in Stockholm Arlanda landen wird. Vor Stockholm hat es hunderte von Inseln, die natürlich nicht einfach mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden können.
Nynäshamn, meine letzte Station, war natürlich ideal. Aber ich wollte jetzt auch nicht einfach weitere drei Tage tatenlos herumsitzen und warten. Also begann die Suche nach Optionen Richtung Norden. Und da gibt es leider nicht viele. Norrtälje war einmal eine ursprüngliche Idee die ich aber inzwischen verworfen habe. Denn hier müsste ich von See kommend tief hinein fahren, etwa 10 sm (20 km). Das würde 2,5 Stunden unter Motor bedeuten. Und das gleiche dann wieder heraus.
Saltsjöbaden wurde mir mehrfach genannt. Doch von Saltsjöbaden bin ich jetzt nur noch 8 sm entfernt. Da würde ich zwei Tage sitzen, um auf meinen Bekannten zu warten und wäre kaum Richtung Norden weitergekommen. Kappelskär war eine Idee – doch den Hafen gibt es nicht mehr bzw. ist nicht mehr zugänglich für Sportboote.
Nach weiterer Suche bin ich doch noch fündig geworden – Gräddö. Ist zwar nicht so ganz ideal zu erreichen (mit dem Bus und dreimal umsteigen) aber es hat den Vorteil, dass ich weiter in den Norden komme und der Ort außen liegt, also kein unnötig langer Weg ins Land hinein.
Nächster Halt – Dalarö
In Nynäshamn hatte ich wieder das ältere Ehepaar getroffen, welches ich in Kalmar kennengelernt hatte. Sie meinten, ich solle doch Dalarö als nächstes ansteuern. Ein Blick in die Karte – 21 sm. Sollte ein gemütlicher Schlag sein. Also lies ich es gemütlich an. Noch einmal die Windsituation gecheckt – etwas kompliziert heute. Über Land kam der Wind aus Südwest. Über dem Wasser drehte er auf Süd. Heute sollte es durch die Schären gehen. Da hat man gerne beständigen Wind.
Kurz nach dem Hafen setzte ich das Großsegel und mit diesem ging es erst einmal Richtung NNO. Nachdem der Wind recht moderat und beständig erschien, die Ankunftszeit nach hinten rückte, wurde die Fock ausgerollt. Jetzt ging es wieder flott voran und der Pinnenpilot (Johann) machte weitgehend den Job. Aber ich hatte es schon geschrieben: Ich war jetzt im Großraum Stockholm unterwegs. D.h. mehr Verkehr. Mehrmals musste ich anderen Booten ausweichen, da diese Vorfahrt hatten. Backbord-Bug vor Steuerbord-Bug. Wobei ich nicht weiß, ob das die Schweden wissen.
Dazu dazwischen eine kleine Anekdote: In Nynäsham lag eine schwedische Familie mit einer Bavaria 30 neben mir und wir kamen am Morgen bevor sie ablegten noch kurz ins Gespräch. Ich fragte ihn, ob er die Bavaria neu gekauft hatte und er meinte nein, gebraucht vor ein paar Jahren. Anfangs wären sie nur mit dem Motor gefahren um einmal zu sehen, wie das so geht. Erst dann hatten sie einmal die Fock gesetzt und später dann auch einmal das Großsegel. Ich fragte ihn, ob man in Schweden denn keinen Segelschein oder so etwas benötigt. „Nein, einen Schein benötigt man nicht. Das habe ich mir selbst beigebracht“ meinte er. Seitdem halte ich lieber Abstand auch wenn ich auf Backbord-Bug segle.

Der Wind drehte langsam und kam mehr und mehr achterlich und ich musste zwischen zwei Schären hindurch. Da es kaum Welle hatte war die einzig sinnvolle Entscheidung ein Stück weit wieder Schmetterling zu segeln – Großsegel auf die eine, Fock auf die andere Seite. So etwas muss man von Hand diffizil aussteuern damit es nicht zur Patenthalse kommt. Wäre man zu zweit, würde ein Crew-Mitglied sich jetzt darum kümmern, einen Bullenstander zu setzen (fixieren des Großbaums, um die Patenthalse zu vermeiden). Einhand geht das schlecht denn diesen Kurs kann Johann nicht gut segeln.

Nachdem ich genügend Raum gewonnen hatte, konnte das Großsegel wieder auf die Seite der Fock geworfen und etwas angeluvt werden. So ging es immer wieder zwischen zwei Schären hindurch. Wenige Seemeilen vor Dalarö wurde die Fock eingeholt. Der Wind hatte (wie so oft im Laufe des Tages) zugenommen. Nur mit dem Großsegel war ich fast so schnell wie mit der Fock (auf sehr raumen Kursen bringt das Focksegel nicht mehr viel Geschwindigkeit). In der Bucht vor Dalarö kachelte es – 5 bis 6 Bft. In der Mitte noch eine Untiefe mit 2 Meter die beachtet werden sollte. Also Maschine an, Boot in den Wind gesteuert und Johann sollte den Kurs halten damit ich das Großsegel bergen kann. Das läuft inzwischen ganz gut.
Meine Sorge war noch das Anlegen bei diesem Wind denn der Wind pfiff mir schon ordentlich um die Ohren. Ich rechnete beim Anleger eigentlich mit einem Wind von Backbord und suchte mir einen freien Anleger an steuerbord. Den entdeckte ich auch gleich und steuerte diesen an. Doch bei der Ansteuerung registrierte ich, dass der Wind hier nun plötzlich von hinten kam. Der Gashebel war sowieso zurückgelegt. Doch nun musste ich mit Vollgas den Rückwärtsgang einlegen um nicht mit hartem Knall den Steg zu begrüßen. Das gelang gerade noch so und Miss Sophie legte sich butterweich am Steg an. Herunter gesprungen und die erste Leine belegt. Wieder auf das Boot gesprungen, um die Heckleine zu belegen. Auch wenn es in dem einen oder anderen Moment noch Nervosität gibt, merke ich langsam die Routine die ich gewinne, auch schwere Situationen einhand zu bewältigen.

Als ich in der Bucht vor dem Hafen unter Motor anluvte, um das Großsegel zu bergen, die 15 bis 20 Knoten Wind spürte, den „Hafen“ erst einmal so richtig realisierte, dachte ich: „was machst du jetzt, wenn aufgrund der jetzigen Wind-Situation der Hafen für dich einhand nicht anzusteuern ist?“. Plan B hat gefehlt. Auf der Fahrt in die Bucht vor dem Hafen sah ich ein Segelboot, das in der Abdeckung einer kleinen Insel vor Anker lag. Ein guter Platz bei diesem Wind. Doch für ein zweites Boot war die Insel zu klein. Andere gut geschützte Plätze waren mir auf dem letzten Stück nicht aufgefallen. Was ich heute gelernt habe: Ich muss mich im Vorfeld mit einem Plan B beschäftigten. Was, wenn der Hafen aus irgendwelchen Gründen nicht angesteuert werden kann? Draußen, auf offener See, ist das weniger ein Problem. Halbwind-Kurs, Johann machen lassen und in Ruhe die Karten studieren. Das habe ich schon mehrfach praktiziert. Hier in den Schären ist das alles (bei starkem Wind) viel zu eng. Da kann ich nicht einfach einen Halbwind-Kurs anlegen. Und wenn, dann bleibt oft wenig Zeit, sich Gedanken zu machen. Denn bei 15 bis 20 Knoten Wind rauscht Miss Sophie mit gut 6 Knoten voran.
Lessons learned…
Habe für den Hafen oder das Anlegen immer einen Plan B. Es kann sein, dass du nicht so oder dort anlegen kannst, wie du das vorab geplant oder gedacht hattest.
Ziel Grädö
Die Frage war, wo picke ich am besten meinen Bekannten vom Bodensee auf, der am Donnerstag in Stockholm-Arlanda landen sollte. Nynäshamn wäre natürlich für ihn ideal gewesen. Aber da hätte ich noch einmal zwei Tage tatenlos gesessen und Nynäshamn ist jetzt wirklich kein Tourismusziel. Der Segler, den ich in Kalmar kennengelernt und in Nynäshamn wieder getroffen hatte, meinte Saltsjöbaden wäre gut. Doch von Dalarö waren das nur gut 8 sm. Viel zu wenig Strecke nach Norden. Norrtälje hatte ich meinem Bekannten noch vor meiner Reise als mögliches Etappenziel genannt. Gut zu erreichen mit dem öffentlichen Nahverkehr. Doch schon in Kalmar hatte ich realisiert, was es bedeutet tief hinein zu fahren. Das sind (mit Einschränkung) vergeudete Stunden. Nach Norrtälje müsste ich gut 2 Stunden mit dem Motor tief ins Land hinein fahren. Und das gleiche müssten wir dann wieder raus. Am Eingang dieses Fjörd liegt Grädö. Nicht ganz ideal für meinen Bekannten. Er muss den Bus nehmen und zweimal umsteigen. Das Problem mit dem ÖPNV in Schweden: Es gibt nicht den einen Betreiber sondern viele. Das betrifft nicht nur die Busse, auch die Bahn wird von verschiedenen Unternehmen betrieben. Und man benötigt dann von jedem Unternehmen eine Fahrkarte. Da hier alles online abläuft (man kann im Bus nicht bezahlen), benötigt man vom jeweiligen Unternehmen die App für das Handy und muss dort das Ticket buchen.

Durch den Stockholmer Schärengarten
In Dalarö blies der Wind am Morgen wieder mit gut 10 Knoten in den Hafen und ich lag ziemlich außen. Ein älterer Mann (noch älter als ich, lach) bot mir Hilfe an und hielt meinen Bug. Ich sagte ihm, dass ich einen Moment abwarte in dem der Wind etwas nachlässt. Dann Vollgas den Rückwärtsgang und erst einmal rückwärts aus dem Hafen an den Untiefen vorbei. Noch in der Bucht konnte ich das Großsegel setzen und den Motor ausmachen. Der Wind kam wieder nicht ganz so, wie es Windy meinte. Mehr von vorne. Aber es konnte noch gut gesegelt werden. So gut, dass ich schon bald auch die Fock dazu nehmen konnte. Heute ging es durch ziemlich viele Schären hindurch. Leider konnte ich den Kurs dann nicht mehr so halten, wie es sich der Routenvorschlag von Orca dachte (Orca hat wohl die gleichen Windmodelle wie Windy). Gleichzeitig nahm der Wind wieder zu und erreichte 17 Knoten. Nach drei Wenden im engen Schärengewässer nahm ich die Fock weg.
Inzwischen kam der Wind zunehmend von vorne. Dazu kamen jetzt noch Regenschauer. Mein Ziel für heute war eine Ankerbucht etwa 15 sm vor Grädö. Doch wie so oft wanderte die berechnete Ankunftszeit mehr und mehr nach hinten. Inzwischen hatte ich den Motor angeworfen. Ich war im breiten Gewässer und konnte Johann den Job machen lassen. Währenddessen suchte ich auf dem iPad im Hamnguiden und auf Orca nach Alternativen. Es sollte eine Bucht sein, die gut Richtung West und Nordwest geschützt ist. Schließlich fand ich etwas – Finhamns. Eine Ankerbucht, die sowohl von Norden als auch Süden angelaufen werden kann.

Es lagen schon einige Boote vor Anker und so musste ich erst einmal die Lage prüfen. Weit genug von den anderen Booten weg wg. Schwojkreis (so wird das Drehen eines Bootes im Wind um den Anker oder einer Boje genannt) und nicht zu tief. Ich fand dann einen Platz auf 5 Meter Tiefe. 15 Meter Ankerkette gingen nach unten. Rückwärtsgang eingelegt, hält. Noch einmal richtig Gas geben – hält. Ankeralarm mit 30 Meter Toleranz eingestellt und Plotter beobachten. Auch in der gut geschützten Bucht hat es zeitweise noch 10 Knoten Wind.


Nach 1 Stunde bin ich beruhigt und mache mich daran Essen zu kochen und zu essen. Auch wenn ich nicht die Ankerbucht erreicht habe, die ich erreichen wollte, bin ich sehr zufrieden. Ich bin noch etwa 25 sm von Grädö entfernt. Das ist morgen gut zu schaffen. Einzig das Wetter könnte mir einen Strich durch die Rechnung machen – Windfinder meint, dass es am Morgen regnet…
Fortsetzung folgt…
