Ich entscheide mich für weiter

Montag, 04. August 2025

Am Vortag war ich ja noch unschlüssig was ich jetzt tun soll. Drei Tage aussitzen in Mellanfjärden oder weiterziehen? Wie im letzten Beitrag geschrieben, waren für Dienstag und Mittwoch Starkwind aus Süd angesagt. Am Dienstag bis 30 Knoten. Also wenn weiterziehen, dann brauchte ich etwas was gut gegen Süd geschützt ist. Stocka und Hudiksvall waren zwei Optionen. Alles andere wie Ankerbuchten war eher weniger geeignet, um zwei Tage auszusitzen oder nicht gegen Südwind geschützt. Stocka wären gerade einmal 10 sm. Hudiksvall einiges mehr. In beiden Häfen war ich vor ein paar Wochen auf dem Weg Richtung Norden. Stocka war sehr günstig (130 SEK) und Hudiksvall hat gute Einkaufsmöglichkeiten.

Vorhersage für Dienstagabend – Orange sind 30 Knoten

Aber ich muss ja sowieso erst noch arbeiten und am Vormittag regnet es wie vorhergesagt. Gegen Mittag studiere ich den Regenradar. Nach 13 Uhr soll nichts mehr nachkommen. Das hört sich schon einmal gut an. Der Wind kam wieder aus Südost. Aber bei weitem nicht so stark wie am Vortag. Soweit ich nach draußen blicken und es beurteilen konnte, hatte es nicht viel Welle.

Kurz nach Mittag kommt ein finnisches Paar mit ihrem Segelboot. Ich helfe beim Anlegen und wir haben einen kurzen Smalltalk. Draußen hat es wohl keine Welle und wenig Wind. Damit fällt letztendlich der Entschluss weiterzuziehen. Mellanfjärden ist zwar nett, aber es ist ein typischer Touristenort. Die schnuckeligen roten Häuser sind alles Ferienhäuser von denen inzwischen viele nicht mehr belegt sind. Ansonsten gibt es etwas Gastronomie und Kunsthandwerk. Wenn man das gesehen hat, hat man Mellanfjärden gesehen.

Also wird alles seefest gemacht und die Leinen los geworfen. Davor bezahle ich noch meinen Liegeplatz – 250 SEK mit Strom. Wohin es gehen soll, möchte ich unterwegs entscheiden wenn ich sehe wie es läuft. Wie gesagt kommt der Wind wieder aus Südost heute mit 8 bis 10 Knoten. Zuerst aber keine Welle. Das bedeutet wieder am Wind. Ich setze die Segel und mit 4 bis 5 Knoten geht es voran. Da der Wind so leicht ist, habe ich das Großsegel ausgerefft. Im Laufe des Nachmittags nimmt der Wind etwas zu. Eigentlich sollte er laut Windy erst gegen Abend zunehmen. Bei 13 bis 15 Knoten Wind reffe ich wieder das Großsegel.

Tschüss Mellanfjörden
Ein kleines Regengebiet zieht an mir vorbei

In dem Moment gehe ich davon aus, dass es so für den Rest des Tages bleibt und entscheide mich Stocka rechts liegen zu lassen. Obwohl ich in Orca meine Performance etwas angepasst habe, kann ich immer noch nicht der vorgeschlagenen Route folgen. Dadurch rutscht meine berechnete Ankunftszeit mehr und mehr nach hinten.

Die Durchfahrt ist wesentlich schmaler als OpenSeaMap es zeigt

Auf dem Weg überlege ich, wie ich vielleicht abkürzen könnte. Der Routenvorschlag von Orca geht außen herum um die Insel Bälsön. Ich überlege hier abzukürzen. Der Wind kommt aus Süd. Mit Unterstützung des Motors sollte das auch bei stärkerem Wind gehen. Der Wind hatte inzwischen weiter zugenommen und damit auch etwas die Welle. Ich segelte hart am Wind und so kam manche Welle wieder über das Deck. ich steuere die Durchfahrt an, die durch eine grüne Tonne markiert sein soll. Sein oder Nichtsein – mache ich das oder nicht? Der Wind erreicht inzwischen in Böen 20 Knoten. Ich hoffe auf nachlassendem Wind und nachlassender Welle aufgrund der Abdeckung. Die Welle ist zwar etwas weniger, der Wind aber nicht. Nicht weit entfernt von der Einfahrt mache ich die Wende. Man muss das Glück nicht herausfordern. Der Weg außen herum ist länger und unangenehmer aber sicherer. So segle ich wieder auf dem Holebug und so bald als möglich mache ich wieder eine Wende – hoffentlich die letzte.

Heute geht es wieder hoch am Wind
Prächtige Lichtstimmung
Die Sonne geht jetzt um 21:22 Uhr unter

Die Sonne geht unter und die Navigationsbeleuchtung wird angemacht. Aber es ist sowieso weit und breit kein anderes Boot oder Schiff zu sehen. Oder doch? In der Einfahrt Richtung Hudiksvall sehe ich auf dem Plotter plötzlich einen Frachter. Das hätte ich jetzt nicht gebraucht, dass mir bei einbrechender Dunkelheit und den Bedingungen ein Frachter entgegenkommt. Ich beobachte ihn weiter auf dem Plotter, doch er bewegt sich nicht. Noch einmal angeklickt, um die Informationen zu sehen. SOG (Speed over Ground) 0 Knoten. O.k. der liegt direkt neben dem Fahrwasser vor Anker.

Ein Frachter liegt auf Reede neben dem Fahrwasser

Am Leuchtfeuer Hölickskärs kann ich dann endlich abfallen. Jetzt geht es dann auf Raumwindkurs. Noch immer steuert Johann und ich höre wieder (wie damals im Kalmarsund) das Ruder vibrieren. Ein Blick auf die Logge zeigt weshalb – 8,2 Knoten. Das Surfen geht wieder los. Mir wäre es lieber, es hätte weniger Wind und weniger Welle denn die Einfahrt nach Hudiksvall ist stellenweise eng und es wird zunehmend dunkel. Und dazu gibt es einige unbeleuchtete Fahrwassertonnen. Und was die Fahrwassertonnen betrifft, kann man sich auf die elektronischen Seekarten auch nicht verlassen. Navionics zeigt z.B. eine rote Tonne. Orca eine rote und eine grüne. Was stimmt nun?

Der Sommer geht Richtung Ende und ich komme südlicher. Jetzt wird es wieder um 23 Uhr dunkel. Als ich das letzte Mal, am 4. Juli, um 23 Uhr in die Einfahrt kam, war es geradezu hell. Das hatte ich nicht so auf dem Schirm. Aber jetzt ist es zu spät. Jetzt heißt es Augen zu und durch.

Und dann passiert was passieren musste (ich hätte es nach der Erfahrung im Kalmarsund eigentlich wissen müssen): Nach einer schrägen, höheren Welle übersteuert der Pinnenpilot und plötzlich bin ich auf dem falschen Bug. Das herum schlagende Großsegel kann ich gerade so noch etwas abbremsen. Aber dadurch habe ich im Moment vollkommen die Orientierung verloren. Ich möchte den Kartenausschnitt auf dem Plotter verschieben aber die Großschot klemmt mich ein. Plötzlich macht es laut „Puff“. Was war das? Bei den Bemühungen an den Plotter zu kommen, bin ich wohl an der manuellen Auslösung der Rettungsweste hängengeblieben, die sich jetzt aufgeblasen hat. Auch das noch…

Als ich die Orientierung einigermaßen wieder gewonnen habe, sehe ich an Backbord in etwa 2 Meter Abstand eine Fahrwassertonne an mir vorbei ziehen. Der Großbaum auf der gleichen Seite. Keine „Stengel-Tonne“ sondern eine von den größeren Leuchttonnen die etwa 3 Meter aus dem Wasser ragen. Das hätte gerade übel ausgehen können…

Nachdem ich wieder alles unter Kontrolle habe, werden zuerst die Segel geborgen. Die letzte Stunde geht es unter Motor in den Hafen. Das ist sicherer.

Am nächsten Tag – 25 Knoten im Hafen
Mellanfjärden > Hudiksvall 46 sm

Die 1.000 sind voll

Zusammengezählt habe ich jetzt 1050 sm auf dieser Reise hinter mir (müssten etwas mehr sein da ich immer nur die Werte von locatoweb gezählt habe und die sind oft kleiner da nicht ständig getrackt und deshalb abgekürzt wird).

Wieviel es wohl am Ende sein werden? Nach Gävle habe ich jetzt noch etwa 80 sm. Achja, mein Logbuch ist auch voll. Da muss ich jetzt mit einem Block weitermachen. Achja, und wieder einmal Lessons learned:

Lessons learned…

Habe immer die passenden CO2-Patronen und Tabletten für die Rettungswesten dabei. Kann ja auch sein, dass man versehentlich ins Wasser fällt oder am manuellen Auslöser hängen bleibt.

und dahinter noch ein zweites Lessons learned:

Lessons learned….

Wenn du bei Dunkelheit in einen dir wenig bekannten oder unbekannten Hafen fährst, riskiere nichts wie z.B. bei schwierigen Windbedingungen. Lieber einmal mehr unter Motor als zu wenig.

Die „Häfen“ des Svenska Kryssarklubben (SXK)

Da ich eine wetterbedingte Auszeit habe, habe ich etwas Stunden bei der Arbeit nachgeholt. Ich möchte aber auch die Gelegenheit nützen und eine Information weitergeben für alle die an der schwedischen Ostküste mit dem Segelboot oder Motorschiff unterwegs sind oder unterwegs sein möchten. Wahrscheinlich jeder, der sich vorbereitet, hat den Hamnguiden, den Revierführer, an Bord. Neben den Bojen (s. vorheriger Bericht) die der SXK ausbringt und betreut hat der SXK einige Anlegestellen. Diese Anlegestellen bestehen in der Regel aus ein oder zwei Stegen, Heckbojen, an Land eine Trockentoilette, eine Grillstelle, eine holzbefeuerte Sauna und manchmal noch ein kleines, einfaches Gebäude zum Aufhalten (wie z.B. in Lill-Lubban).

Die Liegeplatzgebühr ist recht günstig – 75 SEK für Mitglieder und 150 SEK für andere.

Was man als Tourist/Gast nicht so registriert, ist der Aufwand dahinter. Durch meine Bekanntschaft mit dem SXK habe ich erfahren, dass jede Anlegestelle einen festen Betreuer hat. Dieser Betreuer schaut das alles in Ordnung ist, bringt Toilettenpapier für das Trockenklo, Holz für die Sauna oder die Grillstelle. Ggf. organisiert er Helfer falls größere Reparaturen oder Erweiterungen (z.B. Setzen weiterer Heckbojen oder Neubau Trockenklo) zu tun sind. In der Regel versucht der SXK das Gelände zu kaufen. Teilweise ist es aber auch nur zur Verfügung gestellt oder für einen geringen Betrag gepachtet. Die Anlegestellen des SXK befinden sich an ausgewählten besonders schönen Orten. Für die Betreuung der Anlegestelle besucht der Betreuer diese etwa 20 Mal im Jahr. Das kann ein kurzer Besuch zum Nachschauen oder ein Tag Arbeit sein. Ich glaube an keinem anderen Platz als diesen ist es einfacher die Liegeplatzgebühr zu prellen (nicht zu bezahlen). Der SXK ist ein Verein, nicht gewinnorientiert (wie gemeinnützige Vereine in Deutschland). Ich wollte das nur einmal weitergeben weil das vielleicht vielen so nicht bewusst ist, welche Arbeit dahinter steht. Z.B. sollen in Lill-Lubban noch dieses Jahr 10 weitere Heckbojen gesetzt werden.

Planung für die nächsten Tage

Mittwoch, 06. August 2025

Heute windet es noch kräftig. Nicht mehr ganz so kräftig wie gestern aber es war die richtige Entscheidung, zwei Hafentage hier zu machen. Ich kann etwas Stunden machen bei der Arbeit und noch ein paar andere Dinge erledigen wie Wäsche waschen, etwas das Boot putzen und vor allem meine Einkäufe von letzter Woche verarbeiten. Heute gab es Gulasch mit Kartoffelbrei. Warum die Schweden so viel Kartoffeln essen ist etwas, was ich noch nicht herausgefunden habe. Ich habe noch auf keiner Speisekarte etwas mit Nudeln gesehen. Und auch beim Event des SXK gab es Kartoffelsalat (nicht so wie wir ihn kennen) und gekochte Kartoffeln.

Und dann musste ich ja noch einen Plan für die nächsten Tage machen. Nach Gävle sind es noch etwas 80 gesegelte Seemeilen. Bedeutet etwa 3 Tage. Die Wetteraussichten und Windvorhersagen sind recht gut. Also kann ich die nächsten 3 Tage planen. Wieder bin ich auf der Suche nach besonderen und lohnenden Zielen. Ich denke ich habe jetzt zwei ganz gute Zwischenziele gefunden. Mal sehen ob das klappt. Falls der Plan so aufgeht, wäre ich am Samstag in Gävle. Und dann hätte ich noch 3 1/2 Wochen Zeit bis zum Auskranen in Gävle. Deshalb stelle ich schon erste Überlegungen an, was ich mit dieser Zeit mache…

Erstes Zwischenziel – Kråkö Hamn

Donnerstag, 7. August 2025

Nach der Arbeit geht es gleich los. Erwartet hatte ich etwa 10 Knoten Wind aus Süd. Es waren dann aber gleich zwischen 8 und 15 Knoten aus Südost. Ein Schwede hat gleich die Segel hochgezogen. Vermutlich ein Local der das Gebiet gut kennt. In der Ausfahrt bei Hudiksvall hat es aber auch einige Untiefen. Ich halte mich lieber an das Fahrwasser und fahre unter Motor. Anfangs mag das mit dem Kreuzen noch ganz gut gehen, aber später wird es eng weshalb auch der Schwede, dort wo es eng wird, die Segel streicht und unter Motor weiterfährt. Sobald als möglich ziehe ich das Großsegel hoch. Angesichts des kräftigen Windes möchte ich schauen, ob mir das nicht reicht. Der Wind soll gegen Nachmittag zunehmen. Doch nur mit dem Großsegel mache ich nur etwa 3 Knoten Fahrt. Das ist zu wenig. Also wird die Fock ausgerollt und schon läuft es besser – 5 bis 6 Knoten. Ich muss wegen einiger Untiefen und Wind von vorne zwar immer noch kreuzen, aber trotzdem läuft das so ganz gut.

Tschüss Hudiksvall
Hoch am Wind. Aber die Welle ist heute erträglich
In der Abdeckung der Inseln praktisch keine Welle

In der Abdeckung der Inselgruppe ist es dann segeln wie auf dem Bodensee. Null Welle und ein schöner Wind mit 10 Knoten. Kurz vor Kråkö werden die Segel geborgen und der Motor gestartet. Jetzt kommt die spannende Einfahrt. Es hat zwei Geröllhaufen die im Zick-Zack umfahren werden müssen.

Die Einfahrt ist erst spät zu sehen
Am Steg liegt nur ein anderes Segelboot

In Kråkö hat es nur einen kleinen Steg der Platz für etwa 4 bis 5 Boote hat. Meine Sorge, dass es voll sein könnte, erweist sich als unbegründet. Nur ein Schwede liegt auf der einen Seite des Stegs und ich nehme die andere Seite. Der kleine Ort mit der Bucht ist wunderschön.

Nachdem ich alles sortiert und organisiert habe, mache ich mich auf durch die Häuser zu gehen. Ich möchte zu der kleinen Kapelle aus dem Jahr 1736. Inzwischen weiß ich, dass der Schlüssel für die Kapelle immer an der Seite hängt. Im Sommer lebten damals hier die Fischer von Hudiksvall. Kråkö war wohl keine Insel, die ständig bewohnt war. Und auch heute werden die Häuser nur noch als Ferien- oder Wochenend-Häuschen genutzt.

Sehr idyllisch der Ort
Der Schlüssel für die Kapelle – etwa 30 cm lang
Eine sehr schöne Kapelle

Der Sommer ist vorbei – oder doch nicht?

Abgesehen davon, dass ich registriert habe das es jetzt wieder dunkel wird, wird es vor allem auch kühler. Vor allem Abends und in der Nacht. Aber auch tagsüber beim Segeln kann ich die Segeljacke wieder gut gebrauchen. Das Wasser ist noch warm. Im Hafen von Hudiksvall hatte es noch 24 Grad. Sollte es das gewesen sein? In Süddeutschland steigen die Temperaturen gerade wieder auf 30 Grad. Das bräuchte ich nicht, aber etwas wärmer dürfte es schon sein. Ich rechne jeden Tag mit Nebel. Bisher blieb ich davon verschont…

Hudiksvall > Kråko 16 sm

Ein verrückter Tag…

Freitag, 08. August 2025

Eigentlich wollte ich wie immer gegen 14 Uhr ablegen. Ich habe schon alles vorbereitet, also alles versorgt und soweit seefest gemacht. Kurz nach Mittag kommt ein Schwede mit seinem Segelboot. Ich frage ihn, wie es draußen ist. Windig, sagt er. Böen mit 20 Knoten.

Ich studiere noch einmal den Windfinder, die Vorhersagen von SMHI und andere Quellen. Ich habe heute ein spezielles Ziel – Prästgrundet. Speziell deshalb, weil in die kleine Bucht mit der kleinen Anlegestelle ein kleiner Kanal führt. Maximal 1,60 Meter steht im Hamnguiden. Die Dehler 28s hat einen Tiefgang von 1,40 Meter.

Der andere Schwede, der hier am Steg lag, hat bereits kurz vor Mittag abgelegt. Mit ihm hatte ich mich am Vortag über mein Ziel kurz unterhalten. Er meinte, dass das kein Problem wäre. Außerdem wäre gerade geringer Luftdruck. Das hatte ich schon einmal in einem Blog gelesen – der Luftdruck kann 10 bis 20 cm ausmachen. 20 cm mehr oder weniger können entscheidend sein wenn es knapp ist. Zudem ist die Einfahrt Richtung Südwest bzw. Nordost ausgerichtet. Und dann liegen da noch ein paar Steine links und rechts der Einfahrt. Der eine laut Hamnguiden 30 cm unter der Wasseroberfläche. Und der Hamnguiden meint weiter, dass es gut wäre wenn einer Ausguck hält. Der Wind kommt aus Süd. Wellen kann man bei einer solchen Einfahrt nicht gebrauchen.

Der Segler neben mir meint das es morgen weniger Wind hätte und besser wäre. Ich ringe mit mir. Ablegen oder nicht ablegen? Ich studiere wieder Windfinder & Co. Alle Quellen sagen das es morgen auch nicht viel anders ist. Das Problem: Sollte ich vor der Einfahrt von Prästgrundet entscheiden, dass es zu riskant ist, dann habe ich nicht viel Alternativen. Die nächste, naheliegende Alternative, wäre eine SXK Boje – Stålnäset. Doch die Einfahrt zu dieser Boje ist auch nicht einfach. Enges Fahrwasser, viele Steine.

Die Alternative (SXK Boje) sieht auch nicht so toll aus

Ich entschließe mich abzulegen und Prästgrundet zu versuchen. Ich habe noch ein weiteres Ausweichziel auf 3/4 des Weges – Skärså. Zwar auch eine kurvige Einfahrt aber in Ost-West Ausrichtung. Irgendwie scheint hier alles voller Steine zu sein.

Wind und Welle zeigen sich dann zuerst moderater als befürchtet. 10 bis 15 Knoten. Das ist o.k. Die Welle ist auch nicht ganz so hakig wie schon erlebt. So geht es hart am Wind Richtung Prästgrundet. Im Westen, also über dem Festland, sehe ich dunkle Regenwolken. Ein Blick auf den Regenradar. Ein paar kleinere Regengebiete die von Süd nach Nord ziehen. Sollten mich nicht betreffen – denke ich.

Rückblick auf Kråkö Hamn
Zuerst unter Motor (da Wind von vorne) zwischen den Inseln durch

Doch dann wird es vor mir zunehmend grauer. Erste leichte Tropfen. Ich meine mich am Rand der Regengebiete zu befinden und diese zu streifen. Aber was man wissen muss: Wenn Wetter kommt, kommt meistens auch Wind. Aus leichten Tropfen werden immer mehr Tropfen und der Wind nimmt immer mehr zu. Zuletzt regnet es richtig und der Wind hat auf etwas über 25 Knoten angezogen. Johann, mein Pinnenpilot, hat schön längst den Dienst quittiert. Also habe ich alle Hände zu tun. Mit dem zunehmend Wind hat sich auch die Richtung geändert. Voraus ist es grau, im Osten sehe ich blauen Himmel. Soll ich abfallen, raus auf die Ostsee? Ich entscheide mich durchzufahren. Ich hoffe, dass zumindest die Info „kleine Regengebiete“ vom Regenradar stimmen. Augen zu und durch. Aber mehr Wind dürfte es jetzt nicht mehr sein. Ich muss etwas abfallen, um nicht auf eine Untiefe zuzusteuern. Inzwischen bin ich nass bis auf die Unterhose und es ist kalt.

Aber dann lässt der Regen nach und bald auch der Wind. Es pendelt sich wieder ein auf 10 bis 15 Knoten Wind und die Welle ist segelbar. Bei 50 Grad am Wind kann Johann wieder übernehmen und ich spurte nach unten, um zumindest die Jeans gegen die Segelhose zu tauschen. Das ist etwas besser als zuvor.

Das Regengebiet ist durch
Nach dem Regen noch einmal etwas Sonne

Wie so oft nach Durchzug eines Regengebiets lässt der Wind immer mehr nach und fällt unter 10 Knoten. Daher entschließe ich mich die Segel zu bergen und den Motor anzumachen. Der Kurs wird eingestellt – noch 2 Stunden bis Prästgrundet. Der Wind nimmt wieder ein wenig zu auf etwa 10 Knoten. Aber genau von gegenan. Ich habe keine Lust mehr die Segel noch einmal hochzuziehen und gegenan zu kreuzen. Nur noch 1 Stunde.

Zwischendurch gehe ich hinunter und esse ein paar Kekse. Zucker ist ein super Energieträger in solchen Situationen. Ich bin der einzige Verrückte weit und breit der bei diesem Wetter auf der Ostsee unterwegs ist. Die Welle beruhigt sich vor Prästgrundet und ich folge exakt dem vom Plotter vorgegebenen Fahrwasser. Es geht besser als befürchtet. Vor der Einfahrt steht noch einmal ein Schild: „Maximal 1,60 Meter“. Im Kanal selbst habe ich aber immer 2 Meter auf dem Lot. Der Ort und die Bucht erscheinen wunderschön. Gut, dass ich das gemacht habe. Wie zu erwarten – am kleinen Steg kein Boot. Normal soll man hier mit Heckanker und dem Bug nach vorne anmachen. Aber ich glaube kaum, dass heute noch jemand kommt – es ist bereits nach 20 Uhr. Und morgen wird sicher auch niemand am Morgen kommen, gegen Mittag bin ich spätestens weg. Also lege ich längsseits am Steg. Nur ein Mist: Ich habe vergessen vor der Einfahrt die Fender raus zu machen. Miss Sophie küsst den Steg der zum Glück aus Holz ist. Aber eine kleine Erinnerung bleibt im Gelcoat.

Einfahrt Prästgrundet fast in Sicht
Wieder einmal wunderschön
Miss Sophie festgemacht am kleinen Steg

Festgemacht. Das erste, was ich mache: alle nassen Sachen ausziehen und neue trockene Wäsche anziehen. Da fühlt man sich gleich wohler. Dann erste Erkundung der Anlegestelle. Eine schöne Grillstelle, ein noch schöneres Trockenklo (mit Waschbecken – das habe ich noch nie gesehen), schön vorbereitetes Holz, und eine Müllstation. Alles super.

Also wird die Gelegenheit genützt ein Feuer zu machen. Grillfleisch ist noch in der Kühlbox. Dazu gibt es Folienkartoffeln. Was ein Tag….

Gute Nacht Prästgrundet
Kråko > Prästgrundet 14 sm

Und noch ein verrückter Segeltag… Ziel Storjungfrun

Samstag, 09. August 2025

Nach einem gemütlichen Frühstück am Morgen möchte ich unbedingt die Kapelle von Prästgrundet sehen. Sie ist nur 6 x 4 Meter groß und damit die kleinste Kapelle an der südlichen Küste von Norrland. Ein Schild in der Kapelle weist darauf hin, dass sie Platz für 32 Kirchgänger bietet. Aufgrund der Größe gibt es keinen Altar sondern eine Lesekanzel.

Kapelle Prästgrundet – nur 4 x 6 Meter groß
Platz für 32 Kirchgänger
Bei den Schlössern muss man etwas probieren. Meistens muss man den Schlüssel „falsch“ herum drehen
Prästgrundet

Dann mache ich auch schon bald los. Mein Ziel für heute ist Storjungfrun, die größte der 500 Inseln in der Gemeinde Söderhamn. Der Wind kommt wieder aus Südsüdost und mein Ziel liegt in dieser Richtung.

Die Ausfahrt aus Prästgrundet klappt ohne Probleme. Dann muss ich erst einmal um eine kleinere, vorgelagerte Insel herum bevor ich den Kurs in Richtung Storjungfrun aufnehmen kann. Erstaunlicherweise hat es heute so gut wie keine Welle – anfangs. Der Wind kommt mit etwa 10 Knoten und ich mache 4 Knoten Fahrt. Gegenan kreuzen ist immer mühsam. Aber es wird noch mühsamer. Draußen schläft der Wind fast ein und ich mache teilweise nur noch 2 Knoten Fahrt. Ich sehe ein anderes Segelboot nahe der Küste. Sollte der Wind dort besser sein? Andererseits hat es vor der Küste zahlreiche Untiefen und dort hindurch zu kreuzen macht auch keinen Spaß. So warte und hoffe ich. Die Wellen haben etwas zugenommen und ich übernehme das Ruder denn auf die kleinen Winddreher in Kombination mit den Wellen kann ich besser reagieren als der Pinnenpilot. So schaffe ich wenigstens 3 Knoten Fahrt.

Ausfahrt aus Prästgrundet
Wind von – bis – anstrengend

Dann nimmt der Wind wieder etwas zu womit Johann, der Pinnenpilot, wieder übernehmen darf. Diesmal stelle ich ihn jedoch um von Kompasskurs auf Windkurs damit er die Winddreher etwas ausgleicht. Es kommen mir überraschend viel Segelboote auf Raumwindkurs entgegen. Viele mit Spinnaker. Etwa sechs oder acht. So viele Boote sind mir schon lange nicht mehr begegnet. Oft war ich die letzten Tage alleine auf der Ostsee.

Nach mühsamen 5 Stunden und 50 Minuten erreiche ich schließlich Storjungfrun. Ich habe Glück und es ist noch eine der beiden Heckbojen frei. Ansonsten hätte ich den Heckanker verwenden müssen – darauf hatte ich jetzt keine Lust. Allerdings brauche ich aufgrund der ungewohnten Konstruktion auf der Heckboje und dem leichten Seitenwind zwei Anläufe, um diese zu erwischen.

Festgemacht – Storjungfrun

Nach einer kleinen Pause mache ich mich auf zum Leuchtturm der Insel und zu der daneben liegenden Kapelle. Meist sieht man in Schweden ja nur so Leuchtfeuerchen. Kleine Türmchen die etwa 5 Meter hoch sind. Hier hat es jedoch einen richtigen Leuchtturm. Der Leuchtturm besteht aus einem weißen, runden, etwa 21,3 Meter hohen Steinturm mit einem schwarzen Band an der Spitze unterhalb der Laterne. Früher hatte er auch ein rotes Mittelband. Seit 1935 steht der Leuchtturm unter Denkmalschutz. Es ist der Leuchtturm, der noch am längsten mit Kohle betrieben wurde.

Der mächtige Leuchtturm

Dann geht es zu der kleinen Kapelle. Die Kapelle stammt aus dem frühen 17. Jhd. und ähnelt in vielerlei Hinsicht anderen Fischerkapellen entlang der Küste von Hälsingland. Interessant ist, dass die Kapelle einige Einrichtungsgegenstände der ersten Kirche von Söderhamn bewahrt wie die Kanzel und andere Holzarbeiten.

Drei Tage – drei Inseln. Das war jetzt ein interessanter und spannender Abschnitt meiner Reise. Alles ohne Landstrom – nur mit Solarenergie. Das hat dank Sonnenschein gut funktioniert. Morgen geht es nach Gävle. Das sind noch etwa 35 gesegelte Seemeilen. Dann hat mich sozusagen die Zivilisation wieder. Ich freue mich auf eine warme Dusche und frisches Obst und Gemüse.

Prästgrundet > Storjungfrun 19 sm

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