Samstag, 12. Juli – Dienstag, 15. Juli 2025

Recherchieren, Suchen, Warten, Arbeiten

Mit einem defekten Anlasser wäre das Risiko, einfach weiter zu gehen zu hoch. Zudem muss ich mindestens 250 sm zurück nach Gävle für das Winterlager. Das sind etwa 15 Segeltage. Gerade auch wenn man in Ankerbuchten geht, ist die Einfahrt nicht so einfach. Ohne Motor, nur unter Segel wäre das sehr gewagt. Dazu kommt, dass ich ja alleine unterwegs bin. Ankern (ohne Ankerwinsch), Boje einfangen nur unter Segel – für mich kaum denkbar.

Zudem benötige ich Ersatz für die abgerissene Schraube an der Lichtmaschine. Ich hatte gleich Google mit den Stichwörtern „Volvo Penta Härnösand“ bemüht und einen Händler gefunden, der Samstag offen hatte. Also bin ich dorthin und habe mein Anliegen geschildert. Doch er macht nur Außenborder und hat mir eine Telefonnummer und einen Namen gegeben.

Zurück auf dem Boot recherchiere ich. Das ist eine Art Kette – wohl Volvo Penta Vertragshändler. Der nächste wäre aber in Sundsvall. Das sind fast 50 km von hier. Das macht keinen Sinn. Also recherchiere ich weiter. Es gibt hier in der Nähe des Hafens zwei Marine-Werkstätten. Dort möchte ich am Montag mein Glück versuchen.

Den Sonntagabend habe ich dann noch genützt, endlich die Leine für das zweite Reff zu tauschen. Die war vollkommen hinüber weshalb ich kaum ausreffen und auch das zweite Reff nicht setzen konnte. Damit ist das Problem auch endlich gelöst.

Härnösand – ansonsten nicht unbedingt eine Reise wert

Am Montagvormittag laufe ich zu den beiden Werkstätten, die direkt nebeneinander liegen. Die erste sieht ziemlich abgewrackt aus und macht keinen vertrauensvollen Eindruck. Also gehe ich zur zweiten. Das Tor ist offen und ich spreche den ersten Mitarbeiter an. Er deutet mir an, dass er taubstumm ist und verweist mich an einen Kollegen. Doch welche Überraschung – der ist ebenfalls taubstumm. Mittels Papier und Stift tauschen wir uns aus und er sucht mit mir bei seinem Lieferanten nach dem passenden Anlasser. Kostenpunkt 180 Euro. Bestellt. Sollte in ein oder zwei Tagen da sein.

Dann gehe ich noch in die Stadt, um ein paar Einkäufe zu erledigen. Brennspiritus für meinen Kocher suche ich schon seit längerem und werde endlich fündig. Dann suche ich noch einen Friseur. Wird nach mehr als zwei Monaten mal wieder Zeit. Da dessen Englischkenntnisse recht eingeschränkt sind, muss es mit Zeichensprache gehen. Erstaunt war ich über den Preis: 400 SEK. Das sind fast 36 Euro. Zu Hause bezahle ich etwa 25 Euro (ohne waschen). Schweden ist teuer… (Anmerkung: Das war kein Nobel-Friseur, eher ein etwas abgewrackter Laden).

Pläne schmieden

Derweil nütze ich die Zeit, Pläne für die kommenden Tage zu machen. Dies hier wird mein Umkehrpunkt sein. Ich kann (vorausgesetzt das klappt jetzt so mit dem Anlasser) noch etwa 5 bis 7 Tage etwas Richtung Norden segeln. Hier, in Härnösand, beginnt die Höga Kusten (die hohe Küste). Seit dem Jahr 2000 Weltnaturerbe. Alle Segler, die mir entgegenkommen, schwärmen von dieser Gegend. Also suche ich mir Ziele, die ich als „krönenden“ Abschluss sehen möchte. Da wäre die Höga-Kusten-Brücke. Das zweithöchste Bauwerk Schwedens, 1,8 km lang, Durchfahrtshöhe 40 Meter. Trysund soll die schönste Insel Schwedens sein. Das Wetter passt. Der Sommer ist in Schweden endgültig angekommen. Es ist dauerhaft schön. Den Wind muss man nehmen wie er kommt. Nur mit Wärmegewittern muss jetzt zunehmend gerechnet werden.

Anlasser ist da – weiter geht’s

Mittwoch, 16. Juli 2025

Mittwochvormittag bekomme ich eine SMS von der Werkstatt. Der Anlasser ist da. Dazu die Frage, ob ich ihn abhole oder ob jemand kommen soll, um den Austausch gemeinsam zu machen. Da mir das passende Werkzeug fehlt (Imbusschlüssel), bitte ich darum das jemand kommt. Zusammen tauschen wir den Anlasser. Die Schrauben des Anlassers sind selten blöd beim Volvo Penta angebracht. Nach gut einer Stunde ist der Anlasser getauscht. Test – Motor springt an. Anlasser funktioniert. Scheint mir nicht ganz so kraftvoll wie der alte. Aber egal – wichtig ist das er funktioniert und der Motor anspringt.

Neuer Anlasser ist eingebaut und funktioniert

Als Tagesziel hatte ich mir eine Ankerboje südlich von Storön ausgesucht. Der Wind bläst immer noch kräftig aus Nord (Windy erzählt immer noch Mist). Nachdem die letzten Einkäufe erledigt waren, ging es dann am Nachmittag los. Zuerst raus aus dem Sund – also Richtung Süden. Da der Wind sehr böig war (im Hafen blies es zwischen 10 und 20 Knoten) setzte ich dazu erst einmal nur die Fock. Und das war auch gut so.

Ich hatte bereits geschrieben, dass Härnösand zur Hälfte auf einer Insel und zur Hälfte auf dem Festland liegt. Ich lag im südlichen Hafen Södra Sundet. Normal hätte ich jetzt den kurzen Weg durch die Stadt nehmen können. Da gibt es zwei Klappbrücken. Doch eine der beiden Klappbrücken wird in 2025/2026 durch eine Drehbrücke ersetzt. Dadurch ist die Durchfahrt nicht möglich. D.h. ich muss den Sund Richtung Süden herunter und um Härnön herum, um Richtung Norden in die Inselwelt der Höga Kusten zu kommen. Hier einmal ein Kartenausschnitt, um das zu verdeutlichen. Der Pfeil zeigt auf den Hafen. Darüber (nördlich) die Stadt.

Luftlinie habe ich dann gerade einmal 2,7 sm geschafft. Das sind etwa 5 km. Gesegelt waren es 18,8 sm

Auch wenn der Wind im Sund stark wechselt, sowohl in Richtung aus auch in Stärke, geht das mit der Fock ganz gut. Ich vermute die umliegenden Hügel sind die Ursache für diesen Wechsel.

Selten war ich so froh, von einem Ort weg zu kommen. Ciao Härnösund

Dort, wo der Sund dann breiter wird, tausche ich Fockksegel gegen Großsegel und versuche dann den Kurs zu laufen, den Orca vorgeschlagen hat. Doch wie so oft, so hoch am Wind kann ich nicht segeln. Draußen, auf der offenen See, wird es jetzt richtig ungemütlich – trotz strahlendem Sonnenschein. Es hat etwa 10 bis 15 Knoten Wind und Wellen um 1,5 Meter. Immer wieder mal eine mit 2 Meter. Das gegenan, das wird sogar für meinen Magen etwas anstrengend. 3 Stunden so zu segeln macht keinen Sinn. Denn trotz des guten Windes, auch wenn ich hoch am Wind segle, macht Miss Sophie aufgrund der Welle nur 3,5 bis 4 Knoten. Jedes Mal wenn sie in eine Welle kracht, wird sie ausgebremst. Der Nachteil des Kurzkielers.

Im Sund ist es noch angenehm

Also muss ein neuer Plan her. Ich plane, sobald als möglich, eine Wende zu machen, um wieder hinter die Inseln zu kommen. Lustholmen scheint eine gute Alternative zu sein. Ein beliebter Naturhafen mit etwa 25 Liegeplätzen. Hoffentlich bekomme ich noch einen Platz. Ansonsten fehlt mir Plan C.

Zwischen den Inseln. Keine Welle, nur Wind
Festgemacht in Lustholmen

Die erste Insel, die mir etwas Abdeckung gibt, ist Lungön. Die Welle lässt mehr und mehr nach und auch meinem Magen geht es besser. Jetzt ist es wieder schönes Segeln. Nach etwa 5 Stunden erreiche ich Lustholmen und finde noch eine freie Boje. Luftlinie bin ich gerade einmal etwa 5 km vom Ausgangspunkt entfernt. Gesegelt bin ich knapp 19 sm – also etwa 35 Kilometer. Verrückt.

„Lustiger“ Track. Einmal im Viereck gesegelt

Einfach treiben lassen

Donnerstag, 17.07.2025

Ich habe kein festes Ziel im Moment. Ich habe jetzt noch etwa eine Woche, dann sollte ich langsam den Rückweg Richtung Gävle angehen. Ich möchte jetzt einfach noch etwas hier die Höga Kusten erkunden, sehen und entdecken. Deshalb starte ich am Mittag zuerst ohne Ziel und entschließe mich dann doch die Högakustenbron  (Höga-Kusten-Brücke) zu durchfahren.

Passieren einer Fähre. Ähnlich spannend wie am Bodensee, nur sind hier die Wege kürzer

Hier, zwischen den Inseln, wechselt der Wind immer wieder etwas. Vor allem in der Stärke. Aber ich habe Wind aus NO und Kurs NW. So setze ich nur die Fock und lasse mich einfach treiben. Ich habe jegliche Eile verloren. Dass die Logge immer wieder mal unter 3 Knoten fällt stört mich nicht. Ich genieße einfach die Landschaft.

Die Höga-Kusten-Brücke war bei ihrer Eröffnung 1997 mit 1800 Metern die neuntlängste Hängebrücke der Welt. Vorbild war die Golden Gate Bridge. Daneben ist es eines der höchsten Bauwerke Schwedens (186 Meter). Die Durchfahrtshöhe beträgt 40 Meter.

Höga-Kusten-Brücke in Sicht
Es kommt einem trotzdem immer knapp vor
Ein imposantes Bauwerk

Direkt bei der Brücke hat es einen Steg mit Gastliegeplätzen. Ich versuche mein Glück, doch die wenigen Plätze sind alle belegt. Viel weiter möchte ich nicht. Ich möchte nicht wieder spät Abends ankommen. Also suche ich mir die nächste Möglichkeit heraus. Bei Västby hat ein kleiner Club einige Gastplätze. Also steuere ich diesen an – wieder nur mit Fock. Sind nur 5 oder 6 sm. Die Gastplätze sind alle frei. Ich mache fest und finde jemanden im Hafen. Ich frage wie das mit der Bezahlung läuft und er fragt mich, wie lange ich bleiben möchte. Hierher verirren sich wohl nicht viele Gäste und mir wird auch bald klar weshalb. Direkt dahinter liegt eine Eisenbahntrasse und dahinter eine Schnellstraße. In der einen Richtung ist die Kulisse recht idyllisch, in die andere weniger. Aber ich habe jetzt auch keine Lust mehr weiter zu ziehen. Die Möglichkeiten zu ankern sind hier bescheiden. Der Mann entpuppt sich als Mitglieds des Clubs und meint für eine Nacht müsste ich nichts bezahlen. Wie heißt es so schön: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.

Festgemacht

Und noch etwas erwähnenswertes: Die Wassertemperatur beträgt 24 Grad. Da nehme ich doch gleich einmal das erste Bad auf der Reise. Der Sommer ist mittlerweile auch in Schweden angekommen. Am Polarkreis hatte es gestern gegen Abend 24 Grad. Im Moment ist es in Norden wärmer als im Süden. In einigen Regionen sind jetzt offene Feuer wegen der Waldbrandgefahr verboten. Das Wetter und dann noch Südwind, das hätte ich mir einige Wochen früher gewünscht.

Flusssegeln vom Feinsten

Freitag, 18. Juli 2025

Heute mache ich nur einen kurzen Schlag. Da ich wegen der Höga-Kusten-Brücke schon in den Fluss Ångermanälven eingebogen war, und der kleine Bootsclub von Frånö nicht weit entfernt war, sollte dies mein Tagesziel sein. Nur 6 sm. Aber der kleine Hafen ist nur 4 km von der Stadt Kramfors entfernt und laut Hamnguiden sollte es Fahrräder zum Ausleihen geben. Denn bevor es wieder raus geht Richtung Ostsee, wollte ich die Vorräte auffüllen.

Tschüss Västby … Im Hintergrund sieht man die Oberleitung der Eisenbahn

Dank Ostwind bzw. später Südost konnte ich sehr schön den Fluss hinauf segeln was sehr spannend war. Denn aufgrund der Biegungen, Wendungen und Inseln musste immer wieder die Segelstellung geändert werden. Steuerbordbug, Backbordbug oder mal Schmetterling. Der Fluss hat hier kaum Strömung und so kam ich gut voran und war am späten Nachmittag im Hafen. Wie immer bekam ich Hilfe beim Anlegen. Wieder war ich der einzige Gast. In diese Gegend verirren sich wohl nur wenige (dabei verpassen sie die schöne Landschaft).

Und wieder eine Brücke – diesmal 30 Meter Durchfahrtshöhe
Festgemacht in Frånö

Es waren drei Männer vom Club da und natürlich interessierte man sich dafür woher ich komme, seit wann ich unterwegs bin. Und ich erzählte von manchem Erlebnis, den letzten Tagen und vor allem weshalb ich hierher gekommen war. Auf meine Frage, ob ich den ein Fahrrad ausleihen könnte meinte einer: „er wird dich fahren“ und zeigte auf einen der Männer. Auf meine Frage, wie ich dann zurück in den Hafen komme, meinte er „er bringt dich auch wieder hierher“.

Gesagt, getan. So hatte ich mein kostenloses Taxi in die Stadt zum Coop und beim Systembolaget ging es auch nur kurz vorbei. Achja, und noch einmal etwas Bargeld holen. Hier musste ich zum ersten Mal die Hafengebühr bar bezahlen. Ansonsten wäre Swish möglich gewesen, aber dieses Bezahlsystem steht nur Schweden zur Verfügung.

So, und jetzt freue ich mich auf das erste schöne Wochenende mit Sonne, Wind und ohne technische Probleme seit acht Wochen auf der Ostsee…

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